Ottmerstraße Braunschweig

Die Ottmerstraße führt heute im südlichen Stadtgebiet Braunschweigs vom Leonhardplatz zur Kurt-Schumacher-Straße. Vor dem Bau des neuen Hauptbahnhofs am Willy Brandt Platz hieß die heutige Ottmerstraße Campestraße, und von dieser ging Richtung Löwenwall die Ottmerstraße anstelle des jetzigen Teilstücks der Kurt- Schumacher-Straße ab.

Hofbaumeister Carl Theodor Ottmer

Carl Theodor Ottmer (1800 Braunschweig – 1843 Berlin), nach dem die Straße benannt wurde, war Braunschweiger Hofbaumeister. Von ihm sind unter anderem der alte Bahnhof, heute Teil der Braunschweigischen Landessparkasse, sowie als sein Hauptwerk das Braunschweiger Schloss, welches 2008 als Teilrekonstruktion wiedererrichtet wurde. In Ölper erbaute man die St. Petri Kirche (seit 1992 St. Jürgen) nach seinen Plänen. Darüber hinaus sind noch einige Villen in Braunschweig und Umgebung von ihm erhalten. Er arbeitete auch in Berlin. Dort ausgebildet im Umfeld vom großen klassizistischen Baumeister Schinkel, baute er die noch heute stehende Singakademie zu Berlin. Ottmer betätigte sich daneben als Sachverständiger für Theaterbauten und wurde in diesem Zusammenhang beim Bau oder Umbau der Theater in Berlin, Braunschweig, Hamburg, Leipzig, Dresden, Meiningen und Wolfenbüttel hinzugezogen.

Sein Wirken, besonders für Braunschweig, bedeutete das Hervortreten aus der städtischen Provinz in die baulich klassizistische europäische Epoche der Zeit – ebenbürtig mit der Metropole Berlin. Ottmer war, heute würde man sagen, ein Workaholic. Er starb mit 43 Jahren, ermattet und nach schwerer Krankheit, in Berlin. Beigesetzt wurde er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Braunschweiger Magnifriedhof, wo sein Grab noch heute als schlichtes steinernes Kreuz zu sehen ist. Die bauliche Situation hat sich in diesem Teil Braunschweigs um die Ottmerstraße herum durch den Bau des Hauptbahnhofs 1960 fundamental geändert. Nicht nur, dass viele Häuser mit schöner Gründerzeitarchitektur weichen mussten, auch die Straßenführungen wurden völlig verändert. Die breite Kurt Schumacher Straße forderte ihren Tribut. Zuvor führte eine schmale eiserne Brücke über die Oker zum Löwenwall und war Teil der Ottmerstraße, danach eine überdimensionierte vierspurige Autobrücke nebst Fußgänger-, Fahrrad- und Straßenbahnwegen.

1899 – beschaulich geht es zum Monumentsplatz/Löwenwall, geradezu romantisch.

2017 – überdimensioniert und Asphaltwüste, die Kurt-Schumacher-Straße.

Erste städtische Schule mit Zentralheizung

Auf unserer Ansicht von 1899 sehen wir rechts die Volksschule Ottmerstraße, die den 2. Weltkrieg überstanden hatte. 1875 errichtete man sie mitten im Grünen, die erste städtische Schule mit Zentralheizung (Dampfheizung). Aufgrund des Baus der Kurt Schumacher Straße wurde auch sie 1959/60 abgerissen, heute steht nur noch die Turnhalle. Heizungen, die mit erwärmtem Wasser funktionieren, gibt es verbreitet übrigens erst seit den 1960er Jahren. Zuvor waren Einzelöfen und Festbrennstoffe wie Kohlen dominant. Die älteren unter uns können sich sicher noch gut erinnern, welche Plackerei es bedeutete, die Kohlen im Eimer in die 3. oder 4. Etage zu schaffen. Beheizt wurden meist nur die Küche, das Bad (aber nur beim Baden!) und eventuell noch die gute Stube, das Wohnzimmer. Der Kohlenhändler von nebenan ist mittlerweile ausgestorben, nun herrschen Öl und Gas als Heizmittel vor. Die Brennwerttechnik hat Einzug gehalten und die Heizanlagen werden kleiner und effizienter. Die Aussage meines Haus- und Hofinstallateurs: „Die Lebensdauer von Neuheizanlagen geht aufgrund der immer kleinteiligeren Technik nicht mehr auf 30 Jahre, sondern du kannst froh sein wenn diese 15 schaffen“, beunruhigt mich nun doch nicht wenig – nicht weil ich ein Umweltfeind wäre, sondern weil die Heizungen bezahlt werden müssen und die Rücklage dafür nun doppelt so hoch zu sein hat. Heiter werden alle Mienen bei dem kleinen Wort verdienen, wer fragt mich? Ganz schwach können wir links der Straße einen Turm erkennen: Dieser ist keine Kirche, sondern die damals noch vorhandene Turmspitze des Hauses der Löwenapotheke, die 1899 schon seit 10 Jahren bestand. Auch heute finden wir in dieser noch die alte Holzvertäfelung des Anfangs 1889, eine wohltuende Atmosphäre und eine Zeitreise. Da der Löwe Kraft, Ausdauer und Gesundheit verkörpert, ist es wohl kein Wunder, dass der Name keine ausschließliche Braunschweiger Erfindung ist – es gibt viele in ganz Deutschland. Das Wort Apotheke kommt aus dem griechischen und bedeutete so viel wie Lagerraum unterschiedlichster Waren. Deren Verwalter nannte sich apothecarius. In den Klöstern des Mittelalters war es die Kräuterkammer (Heilkräuter), und damit kommen wir der modernen Form schon sehr nah. Im 12. Jahrhundert lässt sich aufgrund eines Apothekeneides (Montpellier – Frankreich) nachweisen, dass es den Beruf des Apothekers zu der Zeit in Europa schon gab. Eine Urkunde der Stadt Trier, datiert auf das Jahr 1241, dokumentiert die Schenkung einer Apotheke am Hauptmarkt. An dieser Stelle wird auch heute noch eine Apotheke unter dem Namen Löwen-Apotheke betrieben, die wohl älteste, zumindest in Deutschland. Sie ist seit 1660 im Familienbesitz, heute führt Dr. Max Schmiz Regie. Der Apotheker Johann Buchner extrahierte 1828 erstmals die Chemikalie Salicin aus Weidenrinden, daraus wurde, Sie kennen es alle, Aspirin. Erfolg hatte auch der Apotheker Dr. August Oetker aus Bielefeld. Er entwickelte ein Produkt des Chemikers Justus Liebig weiter, der es als Ersatz für Hefe vorgesehen hatte (ließ sich aber nicht lange lagern) und nannte es: Backpulver Backin. Aus den Anfängen wurde die globale Fa. Dr. Oetker. Mitte des 19. Jahrhunderts gingen die Apotheker, die ihre Pillen selber drehten, sukzessive zurück. 1865 produzierte der Apotheker Heinrich Merck mit Hilfe von Dampfmaschinen rund 1.000 Medikamente – in der Gegenwart ein Konzern mit Weltgeltung. 2019 gibt es deutschlandweit über 50.000 Apotheken. Sie haben heute die wichtige Funktion der Beratung, die ein kompetenter Apotheker bei der Vielzahl von Medikamenten und deren Wechselwirkung konsequent wahrnehmen muss. Die kurze Ottmerstraße hatte nach Kriegsende durch die Bombeneinwirkung 3 Gebäude mit mittleren Schäden, bevor 1959 die Bagger kamen.

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