Garküche Braunschweig

Die Garküche ist eine kurze Straße im Innenstadtbereich zwischen Eiermarkt und Brabandtstraße. Gegen 1330 hieß die Straße achter schernen, was soviel bedeutet wie hinter den scharn. Scharn waren Markt- oder Verkaufsstände, an denen alle möglichen Waren angeboten wurden. Ab 1547 kommt dann die Bezeichnung „an der garkoken“ vor, ab 1758 hieß es Garküche. Garküchen waren in Europa die Vorgänger unseres modernen Fastfood. Schon in der Antike gab es kleine Stände für schnelle Mahlzeiten für wenig Geld. Heute sind die meisten Garküchen in Asien zu finden. Diese versorgen die Bevölkerung mit günstigen Speisen. In Thailand und Vietnam gibt es auch mobile Garküchen in Form von Motorrädern, an denen Behälter mit Reis und gekochten Speisen hängen. Besonders exotische Spezialitäten, für europäische Augen und Mägen eher gewöhnungsbedürftig, wie kross gebratene rote Ameisen (3 cm Länge), gehören hier traditionell zum Speiseplan. Die Garküchen des Mittelalters waren aber eher in Gebäuden untergebracht, schon aufgrund der Feuerstelle zum Garen.

angrenzend an das Gewandhaus

Wo sich in unserer Braunschweiger Straße die Garküche befand, ist heute leider unbekannt. Fünf der Fachwerkhäuser dieser Straße waren nachweislich bis ins 18. Jahrhundert im Besitz des Rates der Altstadt, hier wohnten um 1700 Amtsträger und Bedienstete sowie der Marktmeister, der Bauermeister und der Gerichtsbote. Die Häuserzeile auf unserer Ansicht um 1900 lag auf der nördlichen Seite der Garküche und grenzte direkt an das Gewandhaus, welches ursprünglich als Lager-, Verkaufs- und Gildehaus der Gewandschneider Braunschweigs diente. Seit 1858 befand es sich im Besitz des Kammergutes der herzoglich-braunschweigischen Regierung. Um den von den Eigentümern der alten Fachwerkhäuser der Nordseite gewollten Neubauten entgegenzutreten (bauliche Probleme mit dem Gewandhaus), erwarb die Industrie- und Handelskammer mit der Hilfe der Stadt Braunschweig 1906 diese Häuser und errichtete ein architektonisch an das Gewandhaus angepasstes Dienstgebäude. Nachdem die Stadt das Gewandhaus vom Kammergut erworben hatte, bekam die IHK ein Nießbrauchrecht auf unbestimmte Zeit eingeräumt. Im Jahr 1910 wurde das Gesamtensemble der IHK zur Nutzung übergeben. Diese bauliche Veränderung stammt also nicht aus dem Zweiten Weltkrieg, gleichwohl brachten die Bomben gewaltige Schäden am Gewandhaus und dessen unmittelbarer Umgebung. Wie wir auf der Ansicht von 2016 sehen, ist alles in einer nach außen der ursprünglich entsprechenden Architektur (vor 1944) wiedererrichtet.

Eishandlung Ferdinand Stahl

Mittig unserer alten Ansicht sehen wir ein kleines weißes Schild, welches die gewerbliche Nutzung der Räume verrät: Eishandlung Ferdinand Stahl. Eis das ganze Jahr zur Verfügung zu haben, um damit Lebensmittel länger haltbar zu machen oder für Getränke und Speisen zu nutzen, war lange Zeit nur möglich, indem man das natürliche Eisvorkommen aus Seen und Flüssen im Winter „erntete“ (man sprach von Eisernte). Großstädte wie New York oder Boston konnten erst mit dem Konservieren von großen Mengen an verderblicher Nahrung entstehen, denn in Ballungsräumen gibt es keine Anbau- oder Weideflächen. Um dieses Natureis entwickelte sich eine ganze Industrie, die um 1870 in den USA circa 18.000 Menschen beschäftigte. 1859 hatte der Franzose Ferdinand Carré erstmals künstliches Eis produziert. Er brachte Wasser durch schnelle Verdunstung von kondensiertem Ammoniak zum Gefrieren. In den 1870er Jahren entwickelte der Deutsche Carl von Linde eine Kompressionskältemaschine. Diese Kältemaschinen machten dem Natureis Konkurrenz und bis 1920 den Garaus. Das Kunsteis hatte den Vorteil, immer und ortsunabhängig verfügbar zu sein und es konnte auch bei mildem Winter produziert werden.

1900: Fachwerkhäuser wurden in der Straße zwischen Eiermarkt und Brabandtstraße direkt am Gewandhaus angebaut.

2016: Die IHK Braunschweig – steingewordene Wirtschafts-Präsenz im Innenstadt-Bereich.

 

Dieser Artikel ist ein Teil der Magazinreihe „Damals & heute“, herausgegeben von FUNKE Medien Niedersachsen GmbH. Text von Dirk Teckentrup – Ihr Immobilienmakler Braunschweig.

 

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