Bohlweg Braunschweig

Der Bohlweg wurde 1239 erstmals urkundlich erwähnt als bollerwech. Bolle oder bole bedeutet Holzbohle. Diese dienten zur Verfestigung des Weges im sumpfigen Okergelände.  Um 1900 war der Bohlweg in diesem Teilbereich unserer Ansichten die repräsentative Meile gegenüber des herzoglichen Schlosses. Hier befanden sich Geschäfte für das Bürgertum wie der herzogliche Hof-Bäcker Otto Tolle, die Zigarrenhandlung Flebbe, die Weinhandlung Mumme, die Schuhwarenhandlung Seeger & Co. sowie diverse andere mehr.

Ab dem 1. Oktober 1900 Ladenschlussgesetz

Dazu ist interessant zu wissen, dass erst ab dem 1.Oktober 1900 in Deutschland ein Ladenschlussgesetz galt. Geschäfte durften von 5:00 Uhr morgens bis 21:00 Uhr abends während der Werktage öffnen. Vor 1900 durfte auch an Sonntagen fünf Stunden geöffnet werden, ansonsten waren die Öffnungszeiten nicht einheitlich geregelt. Seit 2006 ist der Ladenschluss in der Bundesrepublik Ländersache. In den meisten Bundesländern haben wir eine 6 x 24 Regelung, d.h., dass an 6 Tagen 24 Stunden geöffnet sein darf, Sonn- und Feiertage sind ausgenommen. Allerdings bestimmt heute die tatsächliche Nachfrage die Öffnungszeiten, daher haben die meisten Geschäfte auch schon ab 20:00 Uhr geschlossen. Für inhabergeführte Geschäfte ist es schlichtweg auch eine Frage der Kosten, teures Personal zu finanzieren, wenn sich nur einzelne Kunden in die Geschäftsräume verirren. Geschäftsketten können aufgrund ihrer Struktur im Bereich der Aushilfs- und Geringfügigbeschäftigtenkräfte viel flexibler handeln. In der alten Fassung des Ladenschlusses als Bundesangelegenheit (ursprünglich von 1956) werden für Tankstellen weitgehende Öffnungszeiten erlaubt, sie durften auch Reisebedarfsartikel verkaufen (Zeitungen, Stadtpläne, Zigaretten, Lebens- und Genussmittel in kleinen Mengen etc.).

Daher wurden sie immer weiter als Tankstelle mit angeschlossenem Kiosk ausgebaut und in meiner Jugendzeit so um 1978 herum waren sie auch weit und breit die einzigen, wo wir noch unseren Bedarf an „Genussmitteln“ decken konnten. Zurück zum Bohlweg: Mit unserer Phantasie können wir uns lebhaft vorstellen, wie in alter Zeit Damen und Herren in wilhelminischer Kleidung hier entlang flanierten und zu abendlicher Stunde unter Gaslaternen einkauften, die Hektik der heutigen Zeit war noch fremd. Der Schlossvorplatz, der für Feierlichkeiten und militärische Paraden genutzt wurde, war eingezäunt und reichte bis an den Bohlweg heran, schön zu sehen auf der Ansicht von 1906.

Nach 1945 entstanden Behelfsbauten

Dieses alte Stadtbild überlebte die Bombenangriffe des 2. Weltkriegs nicht. Nach 1945 entstanden Behelfsbauten, die über Jahrzehnte mit ihrer „Notarchitektur“ den Anblick dieses Straßenteils prägten. Da die wirtschaftliche Substanz aus den Geschäften im Erdgeschoss erzielt wurde, war für einige Eigentümer die Investition, die Bauten zu früherer Höhe aufzustocken, nicht rentabel. Der Bohlweg wurde breit ausgebaut, Straßenbahn sowie zwei Fahrspuren in jede Richtung trugen den modernen Anforderungen Rechnung. Imbisse und Warenketten verschafften dem Bohlweg in der Folgezeit ein leichtes Schmuddel- image. Für die jungen und älteren Führerscheininhaber mit vermeintlicher Protzkarosse wurde es modern, hier auf und ab zu fahren – sehen und gesehen werden. Die Neuerrichtung des Schlossbaukörpers als kombiniertes Kultur- und Einkaufszentrum sorgte ab dem Jahr 2007 dafür, dass sich das Zentrum Braunschweigs wieder hierher verlagert. Die Geschäfts- und Wohnbauten am Bohlweg bieten heute fast wieder ein geschlossenes Bild. Beim Betrachter liegt es zu entscheiden, welche Ansicht ihm besser gefällt.

 

Dieser Artikel ist ein Teil der Magazinreihe „Damals & heute“, herausgegeben von FUNKE Medien Niedersachsen GmbH. Text von Dirk Teckentrup – Ihr Immobilienmakler Braunschweig.

 

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