Adolfstraße Braunschweig
Namensgeber Adolf Bammel
Ihren Namen hat sie seit 1878 von dem Braunschweiger Lackier-, Lampenfabrikanten und Ratsherren Adolf Bammel (1806-1882), der eine stadtbekannte Persönlichkeit war und zum Ende seines Lebens in der Fallersleber Straße 41 wohnte. Er war 2mal verheiratet, nacheinander mit 2 Schwestern Beckmann aus Hannover, zumindest eine Tochter ist bekannt. Bammel machte 1860 Werbung damit, dass er die französischen Moderateurlampen herstellen und vertreiben würde. Moderateurlampen arbeiteten mit pflanzlichen oder tierischen Ölen. Das Besondere an ihnen war, dass in der Lampe ein Druck zum Fluss des Öls erzeugt wird mit Hilfe des Moderateurs (daher der Name), einem Stahlstift, der in einem Rohr die Menge an strömendem Öl kontrolliert um eine konstante Flamme zu erzeugen und damit eine gleichbleibende Helligkeit. Optisch sahen diese Lampen nicht viel anders aus, etwas schmaler als die uns aus dem Kaiserreich bekannten Petroleumlampen, die ebenfalls künstlerische Gehäuse mit Glasschirm und Glaszylinder besaßen. Mit dem Aufkommen von einsatzfähigen Massenpetroleumlampen und einer ausgeweiteten Erdölproduktion um 1880 war es mit den Moderateurlampen vorbei. Erdöl wurde gereinigt und in seine Bestandteile aufgetrennt, um daraus Petroleum zu erzeugen. Daneben mussten Änderungen am Docht und dem Glaszylinder der Lampe vorgenommen werden, um das starke Rußen in den Griff zu bekommen. Petroleum besitzt eine deutlich niedrigere Viskosität (je niedriger, desto leichterer Fluss) und konnte damit deutlich höher am Docht steigen (10 cm) als bisherige Öle, daher setzte sich nun das einfache und viel günstigere Prinzip durch und es wurde ein Vielfaches an Petroleumlampen gegenüber den Moderateurlampen hergestellt.
Straẞen im Zuge der Entnazifizierung umbenannt
Manche Neubürger Braunschweigs ohne Hintergrundwissen fragten mich schon, ob es sich bei dem Namensgeber der Straße um den ehemaligen Reichskanzler Adolf Hitler (1889-1945) handeln könnte, der im Deutschen Reich geschätzt an die 4.000 Ehrenbürgerschaften hatte. Daneben gab es eine Verordnung des Reichsinnenministeriums über die Grundsätze für die Straßenbenennungen vom Juli 1933, nach welcher in jeder Stadt die wichtigste Straße oder der zentrale Platz nach Adolf Hitler zu benennen war. In Braunschweig gab es den Adolf-Hitler-Wall (Kalenwall/Bruchtorwall) und in Gliesmarode den Adolf-Hitler-Ring (Am Hasselteich). Nach 1945 wurden diese Straßen im Zuge der Entnazifizierung wieder umbenannt. Ab 1935 wurde die Adolfstraße in Wilhelm-Friedrich-Loeper-Straße umbenannt. Loeper (1883-1935 – starb an Halskrebs) war frühes NSDAP-Mitglied und wurde 1933 Reichsstatthalter von Braunschweig und Anhalt (in etwa mit einem heutigen Ministerpräsidenten vergleichbar). Nach dem Kriegsende 1945 bekam die Straße wieder ihren alten Namen zurück.
Die Adolfstraße führt an der östlichen Seite der Oker entlang, früher außerhalb der Stadtbefestigung war es Gartenland. Es entstanden hier auf beiden Seiten der Straße herrliche Gründerzeitvillen vom reichen gehobenen Bürgertum, daneben auch klassische Mehrfamilienhäuser. In der Adolfstraße 19 steht ein besonderes Haus. 1883 gebaut, war es das Gästehaus des Vieweg Verlages. Hier wurden Literaten, andere Verleger und wichtige Persönlichkeiten empfangen, bewirtet und untergebracht. Die Küche war im Keller, das Essen wurde mit einem kleinen Fahrstuhl in die oberen Etagen befördert. Das Erdgeschoss diente zu Repräsentationszwecken und die 1. Etage zur Unterbringung der Gäste. Im Dachgeschoss wohnten die Bediensteten. Der Mitinhaber des Verlages, Erich Kleine (davor Mitherausgeber der Zeitung „Der Stahlhelm“ in Berlin, das Zentralorgan der gleichnamigen Vereinigung von Frontkämpfern des 1. Weltkrieges), bekam bei seinem Ausscheiden in den 1950er Jahren das Haus unter anderem als Abfindung. Seine Tochter Dr. Ingrid Kleine-Genau verkaufte es Anfang des neuen Jahrtausends an einen neuen Eigentümer, der es seit dem liebevoll und kenntnisreich saniert. Im Garten befindet sich ein vor Jahrzehnten gepflanzter Ginkgobaum. Ein tolles Haus hat genau den richtigen Eigentümer gefunden.
Die Villa von Max Jüdel
Gegenüber der Villierstraße befand sich die Villa von Max Jüdel, Mitinhaber der Firma Eisenbahnsignal-Bauanstalt Max Jüdel & Co. – heute Siemens in der Ackerstraße. Hier sollten nach seinem Tod (1910), gemäß seinem Testament, alle amtierenden Bürgermeister ihre Wohnstätte finden. Das Haus erhielt im 2. Weltkrieg leider einen vernichtenden Bombentreffer. Bevor die Kurt-Schumacher-Straße in den 1960er Jahren gebaut wurde, lief an deren Stelle hier eine sehr viel schmalere Ottmerstraße über die Oker zum Löwenwall. Das Haus an der Ecke Adolfstraße/Ottmerstraße, in dem sich heute noch die Löwen-Apotheke befindet, hatte um 1900 ein sehr hoch aufragendes Turmdach, welches wie eine Kirchturmspitze in den Himmel ragte, wie wir auf unserer alten Ansicht sehen können. Heute ist es nicht mehr vorhanden.
1910: Blick Richtung Kurt-Schumacher-Straße, mittig der Turm auf der Löwen-Apotheke, damals Ottmerstraße 8.
2017: Links Nachkriegsbauten. Das 3. Haus von recht ist die Nr. 19; Der Turm ist und die Bäume sind weg, dafür sind nun Autos da.
Flair einer romantischen Groẞstadtstraẞe
Die Adolfstraße verkörpert, da die Bausubstanz überwiegend alt erhalten geblieben ist, das Flair einer romantischen Großstadtstraße wie aus einer Fernseh-Produktion der heilen Welt. Besonders schön anzusehen sind auch die Grundstücksrückseiten. Eine Bootstour auf der Oker in diesem Bereich empfiehlt sich. Die Grundstücke und Häuser zur Oker bieten ein sehr gefälliges Bild und man freut sich, so etwas in seiner Stadt zu haben. Ein wenig Essig muss aber nun noch in den Wein: Zwischen der Kurt-Schumacher-Straße und der Leonhardstraße werden 2017 in der Adolfstraße die vorhandenen Schmutz- und Regenwasserkanäle inklusive der Hausanschlüsse und der Stromleitungen erneuert. Die Fahrbahn, die Gehwege und die Beleuchtung werden ebenfalls erneuert und daher, man ahnt es schon, verschwinden 7 der vorhandenen 93 Parkplätze. Ebenso sind in diesem Bereich alle Straßenbäume verschwunden. 41 Bäume sollen neu angepflanzt werden, das Lebensalter der abgeholzten hatte sich nach Angaben der Verwaltung eh so gut wie erledigt, na das passte ja gut. Weniger gut ist, dass der Spaß die Anlieger ziemlich teuer kommen wird. Die kalkulierten Kosten der Maßnahme lagen und liegen hoffentlich auch bei circa 930.000 Euro, wovon die Eigentümer der anliegenden Häuser circa 590.000 Euro übernehmen müssen. Man fragt sich jedes Mal wieder, wieso von den gezahlten Grundsteuerbeträgen keine Rücklagen für solche Fälle gebildet werden? Jedenfalls wünsche ich allen Beteiligten eine glückliche Hand und keine Finanzierungssorgen.
Dieser Artikel ist ein Teil der Magazinreihe „Damals & heute“, herausgegeben von FUNKE Medien Niedersachsen GmbH. Text von Dirk Teckentrup – Ihr Immobilienmakler Braunschweig.